Wahl bei mehreren Bewerbern um ein Amt

Oder: In der Regel Abstimmung über alle Bewerber

Patrick R. Nessler - Rechtsanwalt


Auch wenn es in der Vereinslandschaft immer seltener vorkommt, so gibt es regelmäßig im-mer wieder Fälle, in denen sich mehrere Personen um ein Vereinsamt bewerben. Dann stellt sich die Frage, wie die Wahl zu diesem einen Amt durchzuführen ist.

Nach § 32 Abs. 1 Satz 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) werden Beschlüsse der Mitglieder-versammlung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Zu diesen Beschlüssen gehören auch Wahlentscheidungen, wobei der Grundsatz "ein Mitglied eine Stimme" gilt (BGH, Urt. v. 28.11.1988, Az. II ZR 96/88). Das heißt, dass bei einem Bewerber um das Amt dieser gewählt ist, wenn er mehr Ja-Stimmen erhält als Nein-Stimmen.

Der BGH (Urt. v. 18.01.2019, Az. V ZR 324/17) hat in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, dass wenn mehrere Bewerber um ein Amt zur Wahl gestellt werden, über jeden Kandidaten einzeln abgestimmt werden muss, sofern nicht ein Bewerber die absolute Mehrheit (des § 32 Abs. 1 Satz 3 BGB) erreicht und die Mitglieder nur eine Ja-Stimme abgeben können. Liegt diese Ausnahme nicht vor, darf die Abstimmung über die weiteren Bewerber nicht abgebrochen werden, weil dann nicht festgestellt werden kann, ob die erforderliche Mehrheit erreicht ist.

Der BGH führt aus, dass es zwar richtig sei, dass bei der Bestimmung der Mehrheit (im Sinne von § 32 Abs. 1 Satz 3 BGB) allein entscheidend ist, ob die abgegebenen Ja-Stimmen die Nein-Stimmen überwiegen. Enthaltungen sind nämlich nicht mitzuzählen, da das sich der Stimme enthaltene Mitglied - aus welchen Motiven auch immer - weder ein zustimmendes noch ein ablehnendes Votum, sondern seine Unentschiedenheit bekunden will.

Stehen mehrere Bewerber zur Wahl, ist die Abstimmung nach Auffassung des BGH über jeden einzelnen nur ein Teilakt eines als eine Einheit zu betrachtenden Verfahrens zur Beset-zung dieses einen Amtes. In aller Regel kann erst nach Durchführung aller Wahlgänge festgestellt werden, ob ein und welcher der Bewerber die erforderliche absolute Mehrheit erhalten hat. Dass ein Bewerber im Verhältnis zu den anderen Bewerbern mehr Stimmen erhalten hat (relative Mehrheit) ist nicht ausreichend, wenn mehr als zwei Kandidaten zur Wahl stehen, so der BGH.

Findet die Wahl in einem Verfahren statt, in dem den Mitgliedern ein Stimmrecht zusteht, das unabhängig von ihrem vorangegangenen Stimmverhalten ausgeübt werden kann, können nach Ansicht des BGH auch die nachfolgenden Kandidaten in den einzelnen Wahlgängen mehr Ja- als Nein-Stimmen auf sich vereinigen. Dabei ist es sogar möglich, dass zwei oder mehr Bewerber die Stimmen aller Mitglieder erhalten. Bei einem solchen Verfahren ist der Willensbildungsprozess der Mitglieder bei der Auswahl der Bewerber um ein Amt nach dem ersten Wahlgang noch nicht abgeschlossen, weil die Stimmrechtsausübung bei dem weiteren Fortgang des Wahlverfahrens Auswirkungen auf das Endergebnis haben kann. Dies erfordert es, ausnahmslos über alle zur Wahl stehenden Bewerber abzustimmen.

Der BGH stellt jedoch klar, dass auch ein Wahlverfahren festgelegt werden kann, bei dem jedem Mitglied nur eine Ja-Stimme zur Verfügung steht. Aber auch hier müssen grundsätzlich alle Bewerber zur Abstimmung gestellt werden. Das erfolgt zum Beispiel bei der sogenannten „Gesamtwahl“, die in der Weise durchgeführt wird, dass auf den Stimmzetteln alle Bewerber um das Amt abgedruckt sind, das Mitglied aber nur eine Stimme vergeben darf.

Etwas anderes gilt nach dem Urteil des BGH nur dann, wenn ein Bewerber in einem Wahlgang bereits die absolute Mehrheit erzielt hat und weitere Wahlgänge folglich an dem Ergeb-nis nichts mehr ändern können.


Fazit:

Bei mehreren Bewerbern um ein Amt muss genau überlegt werden, welches Abstimmungs-verfahren durchgeführt wird. In der Regel muss über jeden einzelnen Bewerber abgestimmt werden und gewählt sein kann nur derjenige, der die Mehrheit der alle abgegebenen Stimmen auf sich vereinigt hat.


Stand: 14.06.2019


Veröffentlicht in:

Auftakt, Zeitschrift des Bundesverband Deutscher Zupfmusiker e.V., Ausgabe 3-2019, S. 34


*) Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Gemeinnützigkeitsrechts, des Datenschutzrechts für Vereine und Verbände, sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen, u.a. an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement sowie der Führungsakademie des Deutschen Olympischen Sportbundes e.V. und für eine ganze Reihe von Organisationen.

Rechtsanwalt Nessler ist Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland und ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht sowie des wissenschaftlichen Beirates des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes Saarland der Kleingärtner, Mitglied des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportbundes Berlin e.V. u.a.

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