Vereinsgerichte meist keine Schiedsgerichte

Oder: Staatliche Gerichte nicht ausgeschlossen!

Patrick R. Nessler - Rechtsanwalt


Das Oberlandesgericht (OLG) München hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob die nach der Satzung eines Vereins vorgesehene eigene Gerichtsbarkeit ein „Schiedsgericht“ im Sinne des § 1029 Zivilprozessordnung (ZPO) ist. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass die Entscheidungen des Vereins- bzw. Verbandsgerichts der vollen (nachfolgenden) Überprüfung durch die staatlichen Gerichte unterliegen, sofern der Unterlegene dagegen Klage erhebt. Bei echten „Schiedsurteilen“ findet eine solch umfassende Prüfung nicht statt und die Entscheidungen können wie Urteile staatlicher Gerichte nach der ZPO vollstreckt werden.

Das OLG verneinte das Vorliegen eines echten „Schiedsgerichts“ (Beschl. v. 28.01.2015, Az. 34 SchH 16/14). Zuerst stellte es richtig fest, dass die Einordnung als Vereins- bzw. Verbandsgericht oder „Schiedsgericht“ nicht alleine nach der Bezeichnung als „Schiedsgericht“ erfolgen könne.

Das satzungsmäßig berufene "Schiedsgericht" ist nämlich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) nur dann als Schiedsgericht im Sinne der ZPO anzuerkennen, wenn Rechtsstreitigkeiten unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges der Entscheidung durch eine unabhängige und unparteiliche Instanz unterworfen werden. Schiedsgerichtsbarkeit ist Rechtsprechung im weiteren Sinne, bedeutet also Streitentscheidung durch einen neutralen Dritten (Beschl. v. 27.05.2004, Az. III ZB 53/03).

Demnach muss sich aus der Satzungsregelung ergeben, dass das Gremium Streitigkeiten unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges -also unter Ausschluss staatlicher Gerichte- endgültig zu treffen hätte. Dafür ist notwendig, dass die Parteien auf ihr Recht des Zugangs zu den staatlichen Gerichten mit der dafür gebotenen Eindeutigkeit verzichten (OLG München, Beschl. v. 28.01.2015, Az. 34 SchH 16/14).

Die häufig in Satzungen anzutreffende Regelung, dass die Entscheidungen des „Schiedsgerichts“ endgültig seien, bedeute regelmäßig nur, dass verbandsintern keine weitere Überprüfung stattfinde so das OLG. Eine Anfechtung der Entscheidungen vor den staatlichen Gerichten schließe dies deshalb nicht aus.

Weiter zeichnen sich Schiedsgerichte nach der Rechtsprechung des BGH durch ihre Neutralität gegenüber den Parteien aus. Dementsprechend muss das Vereins- oder Verbandsgericht, um "echtes" Schiedsgericht zu sein, -satzungsmäßig- als unabhängige und unparteiliche Stelle organisiert sein. Sind hingegen in der Satzung Abhängigkeiten angelegt oder läuft das "Schiedsverfahren" gar auf ein Richten des Vereins oder Verbands in eigener Sache hinaus, liegt schon begrifflich nicht Schiedsgerichtsbarkeit vor.

Meist erfolgt die Bestellung des Vereins- bzw. Verbandsgerichts durch die Mitgliederversammlung. Die Mitgliederversammlung ist ein Organ des Vereins. Das einzelne Vereinsmitglied hat demnach bei einer Streitigkeit mit dem Verein keine rechtlich gesicherte Möglichkeit, in gleichem Umfang wie der Verein oder Verband selbst an der Zusammensetzung des Vereins- bzw. Verbandsgerichts mitzuwirken (BGH, Beschl. v. 27.05.2004, Az. III ZB 53/03). Damit ist in solchen Fällen kein echtes „Schiedsgericht“ gegeben.

Fazit:

Die meisten Vereins- und Verbandsgerichte sind keine „Schiedsgerichte“ im rechtlichen Sinn, auch wenn sie sich selbst so bezeichnen oder von der Satzung so bezeichnet werden. Das bedeutet, dass diese zwar Entscheidungen fällen dürfen, welche grundsätzlich auch für die Mitglieder verbindlich sind. Doch können die Mitglieder die Entscheidung vor den staatlichen Gerichten überprüfen lassen. Außerdem können diese Entscheidungen nicht nach der ZPO (z. B. durch Gerichtsvollzieher) vollstreckt werden.


*) Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Stiftungsrechts, des Gemeinnützigkeitsrechts sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen, insbesondere der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement, und für eine ganze Reihe von Organisationen.

Rechtsanwalt Nessler ist Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland und ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes Saarland der Kleingärtner, Mitglied der Kommission „Finanzen“ des Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V., Mitglied des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportverbandes Berlin e.V. u.a.

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