Rückwirkender Beitritt eines Mitglieds möglich

Oder: Bewerber und Vorstand entscheiden

Patrick R. Nessler - Rechtsanwalt


Meist ist in den Satzungen von Vereinen und Verbänden nur geregelt, dass ein Bewerber um die Mitgliedschaft im Verein für seine Aufnahme in einer bestimmten Form einen Antrag zu stellen hat und dass ein bestimmtes Organ des Vereins oder Verbands, fast immer der Vorstand, dann über die Aufnahme entscheidet. Sehr selten ist in den Satzungen eine Regelung enthalten, ab wann die Mitgliedschaft im Fall der Aufnahme wirksam ist.

Das Kammergericht Berlin (KG Berlin, Beschl. v. 19.08.2010, Az. 1 W 232/10) hat bezüglich eines rückwirkenden Vereinsbeitritts entschieden, dass die Satzung eines Vereins vorsehen kann, dass ein Vereinsbeitritt auch zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt möglich ist.

Der Bundesgerichtshof (BGH, Beschl. v. 03.02.2015, Az. II ZR 242/13) hatte sich dann mit einem Fall zu befassen, bei dem es keine ausdrückliche Satzungsregelung für einen rückwirkenden Beitritt gab. Trotzdem wollte ein Bewerber rückwirkend Mitglied werden und der Vorstand stimmte dem zu. Andere Mitglieder gingen gegen diese Entscheidung vor, weil die rückwirkende Aufnahme für sie negative Auswirkungen auf deren Zahlungspflichten gegenüber dem Verein hatte.

Der BGH entschied, dass eine zwischen Vorstand und Bewerber vereinbarte Rückwirkung der Mitgliedschaft auf den Jahresbeginn grundsätzlich zulässig sei. Das gelte insbesondere dann, wenn die Satzung für die Aufnahme keine weiteren Erfordernisse aufstelle, als einen Aufnahmeantrag zu stellen und sonst keinerlei Regelungen in Bezug auf Formalitäten des Vereinsbeitritts enthalte. Es sei in einem solchen Fall Sache des der Satzung für die Entscheidung über die Aufnahme des Bewerbers zuständigen Vereins- bzw. Verbandsorgans, über den vom Bewerber gewünschten Zeitpunkt des Beginns der Mitgliedschaft zu entscheiden.

Diese Auffassung des BGH überzeugt. Denn der Beitritt eines Mitglieds stellt rechtlich die Eingehung eines Vertrages dar (BGH, Urt. v. 29.07.2014, Az. II ZR 243/13; Urt. v. 29.06.1987, Az. II ZR 295/86; Urt. v. 29.06.1987, Az. II ZR 295/86; Urt. v. 18.09.1958, Az. II ZR 332/56). Rückwirkende Vereinbarungen sind in vielen rechtlichen Bereichen anerkannt, so dass dies auch bei der Aufnahme in einen Verein oder Verband gelten muss (so auch BGH, Beschl. v. 03.02.2015, Az. II ZR 242/13; KG Berlin, Beschl. v. 19.08.2010, Az. 1 W 232/10).

Aus der Entscheidung des BGH zum rückwirkenden Beitritt folgt aber auch, dass wenn die Satzung einen bestimmten Zeitpunkt für den Beginn der Mitgliedschaft festlegt, dass dieser vom Vorstand zu beachten ist. So gibt es Satzungsregelungen, wonach die Mitgliedschaft erst mit Aushändigung des Mitgliedsausweises wirksam wird (vgl. dazu BGH, Urt. v. 29.06.1987, Az. II ZR 295/86) oder mit Zahlung des ersten Mitgliedsbeitrages.

Allerdings entfaltet ein rückwirkender Beitritt im Verhältnis zum Verein bzw. Verband insoweit keine Wirkung, als die Ausübung der Rechte oder Pflichten durch das neue Mitglied vor der Aufnahmeentscheidung faktisch nicht ausgeübt werden konnten. So ist es zum Beispiel unschädlich, wenn ein rückwirkend aufgenommenes Mitglied nicht zu einer Mitgliederversammlung eingeladen worden ist, die zwischen dem Zeitpunkt der Rückwirkung und der Beitrittsannahme durchgeführt worden ist (KG Berlin, Beschl. v. 19.08.2010, Az. 1 W 232/10).


Veröffentlicht in:

Verbandszeitschrift des Betriebssportverbandes Hamburg e.V., Ausgabe Nr. 4/ 2016, S. 25
saarsport, Zeitschrift des Landessportverbandes für das Saarland, Ausgabe Dezember 2016, S. 70
Nachrichtenblatt, Landesverband der Briefmarkensammler des Saarlandes e.V., Ausgabe März 2017, S. 24


Stand: 23.08.2016

*) Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Stiftungsrechts, des Gemeinnützigkeitsrechts sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen, u.a. an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement, und für eine ganze Reihe von Organisationen.

Rechtsanwalt Nessler ist Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland und ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht sowie des wissenschaftlichen Beirates des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes Saarland der Kleingärtner, Mitglied der Kommission „Finanzen“ des Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V., Mitglied des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportbundes Berlin e.V. u.a.

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