Neues Gesetz zur Mitgliederversammlung

Oder: Der Staat hat auf das Coronavirus reagiert!

Patrick R. Nessler - Rechtsanwalt


Mit dem am 28.03.2020 in Kraft getretenen Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht, wurden die bisher geltenden gesetzlichen Regelungen zur Mitgliederversammlung des Vereins oder Verbandes vorübergehend geändert.

Nach dem auch bisher schon geltenden § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB fassen die Mitglieder ihre Beschlüsse in Versammlungen. Diese Regelung ist so zu verstehen, dass der Begriff der Versammlung nach seinem Wortsinn die Anwesenheit der Mitglieder am Ort der Versammlung verlangt (OLG Hamm, Urt. v. 20.06.2001, Az. 8 U 77/01). In Zeiten der bundesweiten Ausgangsbeschränkungen ist in der Regel die Durchführung der Mitgliederversammlung in dieser Form nicht möglich. Abweichungen von dem Versammlungserfordernis sind bisher nur durch eine ausdrückliche Satzungsregelung möglich (§ 40 BGB).

Seit dem 28.03.2020 kann nach dessen § 5 Abs. 2 der Vorstand eines Vereins oder Verbandes abweichend von § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB auch ohne ausdrückliche Ermächtigung durch eine entsprechende Regelung in der Satzung Vereinsmitgliedern ermöglichen, an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilzunehmen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation auszuüben oder ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung ihre Stimmen vor der Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abzugeben.

Damit sind nun auch „virtuelle“ Mitgliederversammlung rechtlich zulässig. Diese können z. B. als Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden, bedürfen also nicht mehr der physischen Anwesenheit der einzelnen Mitglieder an einem bestimmten Ort.

Zukünftig kann auch zugelassen werden, dass Mitglieder ihre Stimme bereits vor der Mitgliederversammlung abgegeben. Diese Stimmabgaben bedürfen nach der gesetzlichen Regelung der Schriftform, also der eigenhändigen Unterschrift des Mitglieds und der Überlassung der Originalurkunde an den Verein (§ 126 BGB). E-Mails, PDF-Dateien, Kopien oder Schreiben per Telefax etc. genügen dem gesetzlichen Schriftformerfordernis nicht. Schreibt die Satzung vor, dass alle oder bestimmte Abstimmungen generell „geheim“ durchzuführen sind, muss dies bei der Einholung solcher Stimmen berücksichtigt werden, da sich aus der Stimmabgabe als solche nicht ergeben darf, wer die Stimme abgegeben hat.

Die Entscheidung über die Art der Mitgliederversammlung und ob die Mitglieder bereits vorher ihre Stimmen abgeben dürfen trifft nach der neuen gesetzlichen Regelung der Vorstand. Da Gesetze allgemein nur den nach § 26 BGB vertretungsberechtigten Vorstand kennen, hat dieser die vorgenannte Entscheidungskompetenz.

Auch wenn die vorgenannten Möglichkeiten genutzt werden, sind die weiteren Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Einberufung der Mitgliederversammlung einzuhalten. Deshalb muss die Einladung insbesondere form- und fristgerecht erfolgen und muss die Beschlussgegenstände ausreichend genau bezeichnen.

Zusätzlich ist nach dem neuen § 5 Abs. 3 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie abweichend von § 32 Abs. 2 BGB ein Beschluss ohne Versammlung der Mitglieder gültig, wenn alle Mitglieder an der Abstimmung beteiligt wurden, bis zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen in Textform abgegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde. Für die in § 126b BGB geregelte Textform genügen auch das einfache E-Mail oder ein Telefax.

Diese neuen Regelungen gelten nach § 7 Abs. 5 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie vom 25.03.2020 (vorerst) nur für im Jahr 2020 stattfindende Mitgliederversammlungen.


Fazit:

Nunmehr sind auch ohne ausdrückliche Satzungsregelung dazu (vorläufig) „virtuelle“ Mitgliederversammlungen möglich. Auch können Beschlüsse der Mitglieder im „Umlaufverfahren“ in Textform mit den für den jeweiligen Beschluss erforderlichen Mehrheiten herbeigeführt werden, ohne dass alle Mitglieder dem Beschluss in der strengen gesetzlichen Schriftform zustimmen müssten.


Stand: 29.03.2020


Veröffentlicht in:

Nachrichtenblatt, Zeitschrift des Landesverbandes der Briefmarkensammler des Saarlandes e.V., Ausgabe Nr. 118, Juni 2020, S. 15


*) Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Gemeinnützigkeitsrechts, des Datenschutzrechts für Vereine und Verbände, sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen, u.a. an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement sowie der Führungsakademie des Deutschen Olympischen Sportbundes e.V. und für eine ganze Reihe von Organisationen.

Rechtsanwalt Nessler ist Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland und ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht sowie des wissenschaftlichen Beirates des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes Saarland der Kleingärtner, Mitglied des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportbundes Berlin e.V. u.a.

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