Die Kurzarbeit im Verein oder Verband
Oder: Hier gilt Arbeitsrecht und Sozialrecht!
Viele Vereine und Verbände haben als Folge der staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus die wirtschaftliche Herausforderung zu meistern, trotz Rückgang oder völligen Ausfall der über den Mitgliedsbeitrag hinausgehenden Einnahmen entstehen für das vorhandene Personal weiter umfangreiche Kosten. Grundsätzlich können auch Vereine und Verbände in dieser Situation über Kurzarbeit nachdenken. Doch sind verschiedene Punkte zu beachten.
Bei den Vereinen und Verbänden gibt es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den unterschiedlichsten Beschäftigungsformen: Ehrenamtler, selbständige Übungsleiter, Minijobber und sonstige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer etc.. Die ehrenamtlich tätigen Personen bekommen ohnehin keine Vergütung. Auslagenersatz dürfte nicht anfallen, da mangels Tätigkeit für den Verein oder Verband keine Auslagen entstehen. Bei den für den Verein selbständig tätigen Personen fällt in der Regel derzeit keine an Vergütung an, weil sie vom Verein oder Verband nicht in Anspruch genommen werden. Allerdings ist bei den Minijobbern und sonstigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nach der gesetzlichen Regelung der Arbeitgeber auch in der aktuellen Situation grundsätzlich verpflichtet, die vereinbarte Vergütung weiter zu bezahlen.
Bei der Anordnung von Kurzarbeit reduziert der Arbeitgeber aus wirtschaftlichen Gründen oder bei einem unabwendbaren Ereignis, die zu einem erheblichen Arbeitsausfall führen, die Arbeitszeit in seinem Betrieb, um Personalkosten zu reduzieren. Dabei kann die Tages-, Wochen- oder Monatsarbeitszeit anteilig oder auf „Kurzarbeit 0“ reduziert werden. Diese Möglichkeit haben auch Vereine und Verbände.
Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben aber aufgrund des bestehenden Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Beschäftigung. Durch die Einführung von Kurzarbeit werden die Arbeits- und Vergütungspflicht des Arbeitsverhältnisses suspendiert. Dementsprechend kann der Arbeitgeber ohne eine besondere Rechtsgrundlage keine Kurzarbeit anordnen. Der Arbeitgeber kann sie insbesondere nicht einseitig aufgrund seines Direktionsrechts einführen. Die Rechtsgrundlage kann sich aus dem Arbeitsvertrag, aus einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung, aus einer vom Arbeitsvertrag gesonderten Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer oder aufgrund einer Änderungskündigung ergeben.
Da bei den meisten Vereinen und Verbänden die Kurzarbeit weder arbeitsvertraglich, noch in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung geregelt sein dürfte, ist für die Anordnung der Kurzarbeit erst die Schaffung einer Rechtsgrundlage erforderlich. In der Praxis dürfte dies nur durch den Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung oder durch eine Änderungskündigung möglich sein.
Während der vom Arbeitgeber angeordneten Kurzarbeit können die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld nach §§ 95 ff. SGB III von der Agentur für Arbeit beziehen. Damit wird ein Teil des Einkommensverlustes der Arbeitnehmer ausgeglichen.
Betriebe müssen die Kurzarbeit zuvor bei der für sie zuständigen Agentur für Arbeit schriftlich oder elektronisch anzeigen (§ 99 Abs. 1 SGB III). Mit der Anzeige ist glaubhaft zu machen, dass ein erheblicher Arbeitsausfall besteht und die betrieblichen Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld erfüllt sind. Kurzarbeitergeld wird nach § 99 Abs. 2 SGB III frühestens von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist. Beruht der Arbeitsausfall auf einem unabwendbaren Ereignis, wie das aktuell der Fall ist, gilt die Anzeige für den entsprechenden Kalendermonat als erstattet, wenn sie unverzüglich erstattet worden ist.
Ob die Voraussetzungen für die Gewährung des Kurzarbeitergelds vorliegen, prüft die zuständige Agentur für Arbeit im Einzelfall. Anspruch auf die Kurzarbeiter-Regelung haben aktuell Unternehmen, wenn zehn Prozent der Belegschaft von Arbeitsausfällen betroffen sind. Bislang lag die Grenze bei einem Drittel. Auch die Sozialversicherungsbeiträge werden von der Bundesagentur für Arbeit voll erstattet.
Einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben aber nur in der Arbeitslosenversicherung versicherten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern (§ 98 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Deshalb fallen Ehrenamtler, Minijobber und selbständig für den Verein tätige Personen nicht unter diese Regelung.
Fazit:
Die Kurzarbeit kann nur dann vom Verein oder Verband gegenüber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern angeordnet werden, wenn dazu eine Rechtsgrundlage existiert. Die Kurzarbeit muss vor ihrer Anordnung bei der Bundesagentur für Arbeit schriftlich oder elektronisch angezeigt werden. Ehrenamtler, Minijobber und selbständig für den Verein tätige Personen haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitsgeld.
Stand: 05.04.2020
*) Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Gemeinnützigkeitsrechts, des Datenschutzrechts für Vereine und Verbände, sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen, u.a. an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement sowie der Führungsakademie des Deutschen Olympischen Sportbundes e.V. und für eine ganze Reihe von Organisationen.
Rechtsanwalt Nessler ist Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland und ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht sowie des wissenschaftlichen Beirates des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes Saarland der Kleingärtner, Mitglied des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportbundes Berlin e.V. u.a.
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