Delegierten- anstatt Mitgliederversammlung

Oder: Wer ist denn Delegierter?


Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB werden die Angelegenheiten des Vereins, soweit sie nicht aufgrund des Gesetzes oder der Satzung von dem Vorstand oder einem anderen Vereinsorgan zu besorgen sind, durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Mitglieder geord-net. Das Gesetz verbietet auch, dass die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte, also vor allem das Recht auf Teilnahme an der Mitgliederversammlung und die Ausübung des Stimmrechts, einem anderen überlassen werden (§ 38 BGB). Allerdings, kann die Satzung eines Vereins dies ausdrücklich gestatten (§ 40 BGB).

Daher kann auch in der Satzung anstelle der Mitgliederversammlung eine Vertreterversamm-lung (Delegiertenversammlung) festgelegt werden, in der die Rechte der Mitglieder nicht durch diese selbst, sondern ausschließlich durch von den Mitgliedern bestellte Vertreter (Delegierte) ausgeübt werden.

Eine Delegiertenversammlung wird in der Praxis häufig deshalb installiert, weil eine Mitgliederversammlung so groß wäre, dass normalerweise ein ausreichender Versammlungsraum für die Durchführung der Versammlung nicht beschafft werden könnte und die Durchführung einer Mitgliederversammlung wegen der hohen Zahl der Teilnehmer nicht in geordneter Weise möglich wäre. Eine rechtliche Grenze für die Delegiertenversammlung oder weitere Vorgaben gibt es im Vereinsrecht nicht. Deshalb können auch kleinere Vereine eine Delegiertenversammlung einführen, während selbst Großvereine es bei dem Grundsatz der Versammlung der Mitglieder belassen können.

Viele Satzungen von Vereinen mit Delegiertenversammlungen haben keine eindeutigen Re-gelungen, wie die Delegierten bestellt werden. Manchmal heißt es einfach nur „von den Mitgliedern gewählten Delegierten“. Manchmal spricht die Satzung auch nur von „gewählten“, „bestellten“ oder „benannten“ Delegierten, ohne dass angegeben wäre, durch wen dies erfolgt sein muss.

Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat mit seinem Beschluss vom 26.08.2019 (Az. 20 W 17/19) entschieden, dass für die Bestellung der Delegierten oder Vertretern die Mitgliederversammlung zuständig ist, es sei denn die Satzung weist die Auswahl ausdrücklich dem Vorstand zu. Das heißt, dass wenn die Mitglieder eines Vereins selbst (in das Vereinsregister ein-getragene oder auch nicht eingetragene) Vereine sind, deren Delegierte von den Mitgliederversammlungen dieser Vereine gewählt werden müssen.

Die Wirksamkeit der Wahl der Delegierten bestimmt sich nach den allgemeinen vereinsrechtlichen Grundsätzen. Demnach muss die Wahl der Delegierten insbesondere in der Einladung zur Mitgliederversammlung ordnungsgemäß angekündigt gewesen sein und die Delegierten müssen die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhalten haben, sofern die Satzung des jeweiligen Vereins keine abweichenden Regelungen enthält.

Nehmen an einer Delegiertenversammlung nicht ordnungsgemäß bestellte Delegierte der Mitglieder teil, so sind die von dieser Versammlung gefassten Beschlüsse nichtig (OLG Dres-den, Beschl. v. 14.06.2016, Az. 17 W 877/16). Zwar sind fehlerhaft gefasste Beschlüsse ausnahmsweise als wirksam zu behandeln, wenn der Verein nachweisen kann, dass der Beschluss auch bei ordnungsgemäßem Verfahren gefasst worden wäre. Doch scheidet nach der Rechtsprechung dieser Nachweis bereits dann aus, wenn sich nicht ordnungsgemäß bestellte Delegierte an der Diskussion zu dem Beschlussgegenstand beteiligt haben. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Redebeitrag dieser nicht zur Anwesenheit in der Versammlung berechtigten Personen Auswirkungen auf das Stimmverhalten anderer Delegierter hatte.


Fazit:

Bei Delegiertenversammlungen ist genau zu prüfen, welche Regelungen die Satzung des Vereins zur Bestellung der Delegierten für seine Delegiertenversammlung enthält. Sofern diese Regelungen nicht eindeutig und abschließend sind, muss gegebenenfalls auch die Satzung des jeweiligen Mitgliedsvereins genau geprüft werden. Ist ein Delegierter nicht ordnungsgemäß bestellt, hat er weder Teilnahme-, Rede- oder Stimmrecht in der Delegiertenversammlung.


Stand: 09.07.2020


Veröffentlicht in:

Nachrichtenblatt des Landesverbandes der Briefmarkensammler des Saarlandes e.V., Ausgabe 09/2020 Nr. 119, S. 16

*) Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Gemeinnützigkeitsrechts, des Datenschutzrechts für Vereine und Verbände, sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen, u.a. an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement sowie der Führungsakademie des Deutschen Olympischen Sportbundes e.V. und für eine ganze Reihe von Organisationen.

Rechtsanwalt Nessler ist Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland und ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht sowie des wissenschaftlichen Beirates des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes Saarland der Kleingärtner, Mitglied des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportbundes Berlin e.V. u.a.

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