Turnierbridge ist nun gemeinnützig!

Oder: Trotz "Turnier" ist Bridge kein Sport

Patrick R. Nessler - Rechtsanwalt


Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit zwei Urteilen vom 09.02.2017, Az. V R 69/14 und V R 70/14 zu der Frage Stellung genommen, ob „Turnierbridge“ gemeinnützig ist oder nicht. Kläger war ein seit 1949 bestehender, im Vereinsregister eingetragener Verein. Er ist ein Dachverband von Vereinen, die den Bridgesport in Deutschland pflegen und fördern. Die Mitglieder des Verbandes praktizieren Turnierbridge in einem deutschen Ligasystem sowie weiteren nationalen und internationalen Wettbewerben.

Vereine und Verbände, die nach der Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen, sind von der Körperschaftsteuer befreit (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 Körperschaftssteuergesetz - KStG). Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AO verfolgt ein Verein oder Verband gemeinnützige Zwecke, wenn seine Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. In § 52 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 25 AO ist eine Liste von konkreten Zwecken (z. B. Sport, Kunst, Bildung, Kleingärtnerei) enthalten, deren Förderung als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen ist. Die Aufzählung in § 52 Abs. 2 Nrn. 1 bis 24 AO ist abschließend.

Das Finanzamt und das zuständige Finanzministerium hatten den Antrag des Verbandes auf Anerkennung der Gemeinnützigkeit abgelehnt. Auf die Klage des Verbandes hat der BFH letztinstanzlich geurteilt, dass Turnierbridge zwar nicht unter § 52 Abs. 2 Satz 1 AO falle, die Allgemeinheit aber auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet entsprechend selbstlos fördere.

Der BFH stellt zunächst klar (Az. V R 69/14), dass die Förderung des Turnierbridge keine Förderung des Sports im Sinne des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO sei. Der Begriff des Sports im Sinne des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO umfasse nur Betätigungen, die die allgemeine Definition des Sports erfüllten und der körperlichen Ertüchtigung dienten. Vorauszusetzen sei für Sport daher eine körperliche, über das ansonsten übliche Maß hinausgehende Aktivität, die durch äußerlich zu beobachtende Anstrengungen oder durch die einem persönlichen Können zurechenbare Kunstbewegung gekennzeichnet sei. Die Ausführung eines Spiels in Form von Wettkämpfen und unter einer besonderen Organisation allein mache es noch nicht zum Sport im Sinne des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO.

Doch kann nach § 52 Abs. 1 Satz 2 AO, sofern der von dem Verein oder Verband verfolgte Zweck nicht unter § 52 Abs. 1 Satz 1 AO fällt, aber die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet entsprechend selbstlos gefördert wird, dieser Zweck für gemeinnützig erklärt werden. Nach Auffassung des BFH (Az. V R 70/14) ist diese Entscheidung auf der Grundlage der Wertungen des § 52 Abs. 2 Satz 1 AO zu treffen. Dabei muss sich die Entscheidung an Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) messen lassen.

Turnierbridge weist erhebliche Ähnlichkeiten zum in § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 21 AO aufgeführten Schach auf. Auch das Turnierbridge ist aufgrund der Spielmodalitäten weitestgehend von Zufallselementen befreit. Zudem erfordert Turnierbridge, ebenso wie Schach, erhebliche intellektuelle Anstrengungen sowie hohe Merk-, Konzentrations- und Kombinationsfähigkeiten. Deshalb ist nach Ansicht des BFH (Az. V R 70/14) aus gleichheitsrechtlichen Erwägungen kein Differenzierungsgrund erkennbar, der es rechtfertigen könnte, Schach als gemeinnützig zu fördern, Turnierbridge dagegen nicht.

Turnierbridge weist überdies Elemente zahlreicher anderer Katalogzwecke auf, ohne unmittelbar unter einen subsumiert werden zu können. So ähnelt Turnierbridge insoweit dem Sport (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO), als Turnierbridge ebenso wie verschiedene Sportarten in einem deutschen Ligasystem sowie weiteren nationalen und internationalen Wettbewerben betrieben wird. International wird Bridge vielfach als Sportart angesehen, wie unter anderem die Aufnahme als "Recognized Member" in das IOC zeigt. Der Kläger organisiere Turnierbridge in einer Art und Weise, die der Förderung des Breitensports durch Sportvereine nahe komme und ähnlich positive Wirkungen für die Allgemeinheit habe, so der BFH (Az. V R 70/14).

Fazit:

Vereine, die nach ihrem in der Satzung festgelegten Zweck Turnierbridge fördern, können nun die Anerkennung der Gemeinnützigkeit erlangen. Aber auch andere Vereinszwecke, welche nicht in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO aufgezählt sind, jedoch Elemente der dort aufgeführten Zwecke in bedeutendem Umfang enthalten, können als gemeinnützig anerkannt werden. Da Turnierbridge aber kein Sport ist, dürfen Sportvereine grundsätzlich Turnierbridge nicht mit steuerbegünstigten Mitteln des Sportvereins fördern. Entsprechendes gilt für andere steuerbegünstigte Vereine und Verbände, in deren Satzung Förderung des „Turnierbridge“ als Vereinszweck nicht aufgeführt ist.


Stand: 12.05.2017

*) Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Stiftungsrechts, des Gemeinnützigkeitsrechts sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen, u.a. an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement, und für eine ganze Reihe von Organisationen.

Rechtsanwalt Nessler ist Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland und ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht sowie des wissenschaftlichen Beirates des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes Saarland der Kleingärtner, Mitglied der Kommission „Finanzen“ des Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V., Mitglied des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportbundes Berlin e.V. u.a.

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