Aufgewertete Kleingärten als Ausgleichsflächen

Nachhaltige Nutzung grüner Infrastruktur sichern

Patrick R. Nessler - Rechtsanwalt


1. Einleitung

In der Antwort vom 07.05.2009 auf die kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Roland Claus, Lutz Heilmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE (Bundestags-Drucksache 16/12762, S. 2) führt die damalige Bundesregierung aus:

"Kleingartenanlagen besitzen ein erhebliches ökologisches Potenzial. Die gemeinschaftlichen Grünflächen haben als Rückzugsflächen für die Tier- und Pflanzenwelt innerhalb des Gemeindegebietes eine große Bedeutung. Sie können deshalb auch bei der Durchführung von naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen berücksichtigt werden."

Anfang 2010 richtete die Bundestagsabgeordnete Dr. Eva Högl (SPD) folgende schriftliche Anfrage an die Bundesregierung (Bundestags-Drucksache 17/639, S. 51):

„Auf welchem Wege können kleingärtnerische Anlagen eine Anerkennung als ökologische Ausgleichsflächen erhalten, und würde ein solcher Status diesen indirekt für eine dauerhaftere Existenzsicherung dienen?“

Darauf antwortete am 01.02.2010 der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer für die Bundesregierung (Bundestags-Drucksache 17/639, S. 51):

„Bestehende Kleingartenanlagen eignen sich trotz ihrer ökologischen Bedeutung in der Regel kaum als Flächen zum Ausgleich im Sinne der Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz. Denn Flächen zum Ausgleich sind Flächen für zusätzliche Maßnahmen zugunsten von Natur und Landschaft, die einen naturschutzrechtlichen Eingriff kompensieren sollen. Der Verwirklichung solcher zusätzlichen Maßnahmen dürfte zumeist die kleingärtnerische Zweckbestimmung widersprechen, wonach Kleingärten der gärtnerischen Erzeugung und der Erholung dienen (§ 1 Absatz 1 BKleingG).“

Im aktuellen Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 27.11.2013 (S. 83) ist zu lesen:

"Wir streben an, dass dauerhaft ökologisch aufgewertete Kleingartenanlagen künftig als Ausgleichsflächen anerkannt werden können."

Die 18. Legislaturperiode neigt sich nun dem Ende zu, ohne dass diesbezüglich eine eindeutige gesetzliche Regelung geschaffen worden wäre.

Offensichtlich ist sich die Politik bezüglich der nach der von ihr selbst geschaffenen Gesetzeslage gegebenen rechtlichen Möglichkeiten der Anerkennung einer Kleingartenanlage als naturschutzrechtliche Ausgleichsfläche nicht sicher. Irritierend ist, dass die Bundesregierung in der 16. Legislaturperiode von der CDU geführt wurde, die Antwort auf die schriftliche Anfrage von einem CSU-Mitglied getätigt wurde und an dem aktuell gültigen Koalitionsvertrag die CDU ebenfalls beteiligt ist. Trotzdem scheint eine einhellige Bewertung nicht gegeben.

Deshalb soll nachfolgend anhand der aktuell existierenden Gesetzeslage dargestellt werden, ob Kleingartenanlagen als naturschutzrechtliche Ausgleichsflächen anerkannt werden können oder nicht, und wenn sie anerkannt werden können, unter welchen Voraussetzungen.



2. Baurecht

Ausgangspunkt der Darstellung ist das Baurecht und nicht das Naturschutzrecht.

Denn nach § 18 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) ist, wenn auf Grund der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bauleitplänen oder von Satzungen nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 Baugesetzbuch (BauGB) Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, über die Vermeidung, den Ausgleich und den Ersatz nach den Vorschriften des BauGB zu entscheiden. Damit ist für die Frage, ob ein Eingriff vorliegt, nach § 1a Abs. 3 Satz 1 BauGB das BNatSchG als Fachgesetz maßgeblich. Die daran anschließende Behandlung von Vermeidung, Minimierung und Ausgleich des Eingriffs richtet sich gemäß § 18 Abs. 1 BNatSchG nach den Vorschriften des BauGB (Ernst/Zinkhahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Kommentar, § 1a Rn. 74).

Vorliegend steht im Mittelpunkt der Ausführungen die Frage, ob (ökologisch aufgewertete) Kleingartenflächen als Ausgleichsflächen in Betracht kommen können. Das setzt voraus, dass überhaupt ein Eingriff vorliegt, der zu kompensieren ist. Auf eine Darstellung, wann ein Eingriff gegeben ist, wird daher an dieser Stelle verzichtet.

Auf Vorhaben in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 BauGB, während der Planaufstellung nach § 33 BauGB und im Innenbereich nach § 34 BauGB finden die §§ 14 bis 17 BNatSchG keine Anwendung (§ 18 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG). Trotz des scheinbar eindeutigen Wortlauts findet dieser Ausschluss der Anwendung der §§ 14 bis 17 BNatSchG aber auf Vorhaben in Gebieten im Außenbereich mit „einfachen Bebauungsplänen“ im Sinne des § 30 Abs. 3 BauGB keine Anwendung. Denn die Geltung der §§ 14 bis 17 BNatSchG nach § 18 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG bleibt für Vorhaben im Außenbereich nach § 35 BauGB unberührt. Bei „einfachen Bebauungsplänen“ richtet sich aber die Zulässigkeit von Vorhaben im Außenbereich nach § 35 BauGB (OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 05.06.2012, Az. 8 A 10594/12).

Sofern das BauGB anzuwenden ist, ist es nach § 1 Abs. 1 BauGB Aufgabe der Bauleitplanung, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe des BauGB vorzubereiten und zu leiten. Dabei sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen (§ 1 Abs. 7 BauGB). Zu den öffentlichen Belangen gehören nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere in der dort aufgezählten konkreten Ausprägung.

Das bedeutet nicht, dass Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege als solchen in der planerischen Abwägung abstrakt ein höherer Rang gegenüber anderen Belangen zugewiesen wird. Der Gesetzgeber will lediglich in das Abwägungskonzept des § 1 Abs. 5 und 6 BauGB die Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege in der spezifischen Anreicherung um den Vermeidungs- und Kompensationsgrundsatz verfahrensmäßig und inhaltlich integriert sehen. Gegenüber anderen öffentlichen Belangen haben die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege allerdings eine herausgehobene Bedeutung: In der Bauleitplanung ist nicht nur darüber zu entscheiden, ob sich die Eingriffe in Natur und Landschaft im Planbereich überhaupt rechtfertigen lassen, sondern auch darüber, ob und in welchem Umfang für - angesichts vorrangiger städtebaulicher Erfordernisse - unvermeidbare Beeinträchtigungen Ausgleich und Ersatz zu leisten ist (BVerwG, Beschl. v. 31.01.1997, Az. 4 NB 27/96).

Ein notwendiger Ausgleich von Eingriffen erfolgt nach § 1a Abs. 3 BauGB durch geeignete Darstellungen und Festsetzungen nach den § 5 BauGB (Flächennutzungsplan) und § 9 BauGB (Bebauungsplan) als Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich. Soweit dies mit einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung und den Zielen der Raumordnung sowie des Naturschutzes und der Landschaftspflege vereinbar ist, können die Darstellungen und Festsetzungen auch an anderer Stelle als am Ort des Eingriffs erfolgen.

Anstelle von Darstellungen und Festsetzungen können auch vertragliche Vereinbarungen nach § 11 BauGB oder sonstige geeignete Maßnahmen zum Ausgleich auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen getroffen werden (§ 1a Abs. 3 Satz 4 BauGB).

Ob die jeweiligen Darstellungen und Festsetzungen bzw. vertraglichen Vereinbarungen „geeignet“ sind, muss im Einzelfall durch sachverständige Unterstützung ermittelt werden.



3. Naturschutzrecht

Soweit nicht das BauGB gilt, greift das BNatSchG. Dieses beruht auf der im September 2009 dem Bund zugestandenen konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Naturschutzes (Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 Grundgesetz - GG). Am 03.04.2002 löste das BNatSchG das noch auf der Rahmengesetzgebungskompetenz des Art. 75 Abs. 1 Nr. 2 GG beruhende BNatSchG von 1976 ab. Das Gesetz dient unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21.05.1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 v. 22.07.1992, S. 7). Mit dem am 18.12.2007 bzw. 17.06.2008 in Kraft getretenen Ersten Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (BGBl. I S. 2873) wurde den Rügen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Hinblick auf die nicht hinreichende Umsetzung bestimmter Vorschriften der Richtlinie 92/43/EWG im BNatSchG abgeholfen.

§ 15 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG verpflichtet den Verursacher eines Eingriffs, unvermeidbare Beeinträchtigungen der Natur und Landschaft durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen).

Voraussetzung für eine Ausgleichsmaßnahme ist, dass die Beeinträchtigung der Natur und Landschaft "unvermeidbar" ist. Beeinträchtigungen sind vermeidbar, wenn zumutbare Alternativen, den mit dem Eingriff verfolgten Zweck am gleichen Ort ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu erreichen, gegeben sind (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG). Ob das der Fall ist, ist keine allgemein, sondern nur im Einzelfall zu beantwortende Frage. Diese Frage kann auch nicht von Juristen alleine, sondern nur mit Unterstützung entsprechender Sachverständiger beantwortet werden.

Ist eine Beeinträchtigung der Natur und Landschaft unvermeidbar, ist diese Beeinträchtigung ausgeglichen, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in gleichartiger Weise wiederhergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist (§ 15 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall mit Unterstützung entsprechender Sachverständiger beantwortet werden.

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit wird in § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere zur Kompensation von Eingriffen zu regeln, insbesondere zu Inhalt, Art und Umfang von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einschließlich Maßnahmen zur Entsiegelung, zur Wiedervernetzung von Lebensräumen und zur Bewirtschaftung und Pflege sowie zur Festlegung diesbezüglicher Standards, insbesondere für vergleichbare Eingriffsarten. Zwar gibt es einen entsprechenden Verordnungsentwurf vom 19.04.2013 (zu finden unter: http://www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Strategien_Bilanzen_Gesetze/Kompensationsverordnung/entwurf_bkompV_19-04-13_bf.pdf), doch hat der Bundesrat bisher seine Zustimmung nicht erteilt.

Solange und soweit das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit von seiner Ermächtigung keinen Gebrauch macht, richtet sich das Nähere zur Kompensation von Eingriffen nach Landesrecht, soweit dieses den § 15 Abs. 1 bis Abs. 6 BNatSchG nicht widerspricht (§ 15 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) kommen für Ausgleichsmaßnahmen grundsätzlich nur Flächen in Betracht, die aufwertungsbedürftig und -fähig sind (BVerwG, Urt. v. 10.11.2016, Az. 9 A 18/15). Diese Voraussetzung erfüllen sie, wenn sie in einen Zustand versetzt werden können, der sich im Vergleich mit dem früheren als ökologisch höherwertig einstufen lässt. Dazu muss ein Zustand geschaffen werden, der den durch das geplante Vorhaben beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushaltes oder des Landschaftsbildes zumindest ähnlich ist (BVerwG, Gerichtsbescheid v. 10.09.1998, Az. 4 A 35.97).

Eine Kleingartenanlage setzt nicht voraus, dass wenigstens die Hälfte ihrer Fläche zur Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf (insbesondere Obst und Gemüse) genutzt wird. Es genügt, wenn diese Nutzung den Charakter der Anlage maßgeblich mitprägt. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn wenigstens ein Drittel der Fläche zum Anbau von Gartenerzeugnissen für den Eigenbedarf genutzt wird. Besonderheiten, wie eine atypische Größe der Parzellen, topographische Eigentümlichkeiten oder eine Bodenqualität, die den Anbau von Nutzpflanzen teilweise nicht zulässt, können eine vom Regelfall abweichende Beurteilung rechtfertigen (BGH, Urt. v. 17.06.2004, Az. III ZR 281/03). Damit sind Kleingartenanlagen grundsätzlich geeignet, als Ausgleichsflächen herangezogen zu werden. Denn Kleingartenanlagen können, in den einzelnen Parzellen, insbesondere aber auf den Gemeinschaftsflächen, ökologisch aufgewertet werden.

Dem steht auch nicht entgegen, dass Kleingartenanlagen in der Regel bereits einen ökologischen Nutzen haben. Denn Ausgleichsmaßnahmen greifen regelmäßig auf Flächen zurück, die sich ihrerseits bereits in einem naturhaften Zustand befinden und Teil der Landschaft sind. Ausgleichsmaßnahmen zielen auf eine Veränderung dieser Flächen. Es liegt auf der Hand, dass ihnen die Eignung, die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich zu beeinträchtigen, nicht allein deshalb von vornherein abgesprochen werden kann, weil die Behörde mit diesen Maßnahmen einen Ausgleich für einen anderweitig zugelassenen Eingriff ins Werk setzen will. Ausgleichsmaßnahmen scheiden deshalb nicht schon ihrer Zielrichtung wegen begrifflich als Eingriff in Natur und Landschaft aus (BVerwG, Beschl. v. 28.01.2009, Az. 7 B 45/08).

Flächen, die bereits ökologisch hochwertig sind und deshalb ein vergleichsweise geringes Verbesserungspotential aufweisen, dürfen aber regelmäßig nur nach vorheriger Prüfung, ob nicht auf eine Alternativfläche mit geringer ökologischer Wertigkeit zurückgegriffen werden kann, für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in Anspruch genommen werden (BVerwG, Urt. v. 10.11.2016, Az. 9 A 18/15; BVerwG, Beschl. v. 28.01.2009; OVG Schleswig, Urt. v. 24.06.2008, Az. 4 LB 15/06).

Wegen eines naturschutznäheren Endziels kann die Behörde auch Maßnahmen ergreifen, die zunächst eine Beeinträchtigung des bestehenden naturhaften Zustands darstellen. Erweist sich die Maßnahme in der naturschutzfachlichen Gesamtbilanz als günstig, stellt sie also insbesondere eine wesentliche Verbesserung des bestehenden Zustandes dar, bedarf der mit der Maßnahme zunächst bewirkte Eingriff keiner weiteren Kompensation durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Die an sich erforderliche Kompensation geht in die ökologische Gesamtbilanz regelmäßig ein. Weist diese Gesamtbilanz keine Verbesserung der in Anspruch genommenen Fläche aus, hat die Ausgleichsmaßnahme und damit der mit ihr verbundene Eingriff regelmäßig zu unterbleiben (BVerwG, Beschl. v. 28.01.2009, Az. 7 B 45/08; Gerichtsbescheid v. 10.09.1998, Az. 4 A 35.97).

Es ist auch nicht erforderlich, dass der ökologische Wert der für die Ausgleichsmaßnahme in Anspruch genommenen Flächen geringer ist, als derjenige des für das Vorhaben in Anspruch genommenen Grund und Bodens. Andernfalls wären Eingriffe auf ökologisch geringwertigen Flächen nicht kompensierbar. Entscheidend ist vielmehr die ökologische Gesamtbilanz aus der Verschlechterung durch die Baumaßnahme einerseits und der ökologischen Aufwertung der Kompensationsfläche andererseits (BVerwG, Urt. v. 10.11.2016, Az. 9 A 18/15, Urt. v. 23.08.1996, Az. 4 A 29.95).

Ob die ökologische Gesamtbilanz durch die Ausgleichsmaßnahme wieder ins Gleichgewicht kommt, kann nur im Einzelfall mit Unterstützung entsprechender Sachverständiger bewertet werden.

Nach § 15 Abs. 4 BNatSchG sind Ausgleichsmaßnahmen in dem jeweils erforderlichen Zeitraum zu unterhalten und rechtlich zu sichern. Der Unterhaltungszeitraum ist durch die zuständige Behörde im Zulassungsbescheid festzusetzen. Verantwortlich für Ausführung, Unterhaltung und Sicherung der Ausgleichsmaßnahmen ist der Verursacher oder dessen Rechtsnachfolger.



4. Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen

Nach § 16 Abs. 1 BNatSchG sind Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, die im Hinblick auf zu erwartende Eingriffe durchgeführt worden sind, als Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen anzuerkennen, soweit

1. die Voraussetzungen des § 15 Absatz 2 erfüllt sind,
2. sie ohne rechtliche Verpflichtung durchgeführt wurden,
3. dafür keine öffentlichen Fördermittel in Anspruch genommen wurden,
4. sie Programmen und Plänen nach den §§ 10 und 11 nicht widersprechen und
5. eine Dokumentation des Ausgangszustands der Flächen vorliegt; Vorschriften der Länder zu den Anforderungen an die Dokumentation bleiben unberührt.

Da nur Maßnahmen, die im Vorfeld des Eingriffs durch¬geführt werden, als Kompensationen anerkennungsfähig sind, ergibt sich ein hervorhebenswerter naturschutzfachlicher Vorteil: der Zeitverzug, der sonst zwischen dem Eingriff und der die Beein¬trächtigung von Natur und Landschaft kompensierenden Wirkung der Maßnahme entsteht, wird verringert: anstelle einer Wiedergutmachung erfolgt eine Vorleistung (Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 16 Rn. 2). § 16 Abs. 1 BNatSchG formuliert einen Anspruch auf Anerkennung einer Maßnahme des Naturschutzes und der Landschaftspflege als Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahme. Ein Ermessen besteht nicht (Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 16 Rn. 6).

Die Bevorratung von vorgezogenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen mittels Ökokonten, Flächenpools oder anderer Maßnahmen, insbesondere die Erfassung, Bewertung oder Buchung vorgezogener Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in Ökokonten, deren Genehmigungsbedürftigkeit und Handelbarkeit sowie der Übergang der Verantwortung nach § 15 Abs. 4 auf Dritte, die vorgezogene Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen durchführen, richtet sich nach Landesrecht (§ 16 Abs. 1 BNatSchG).

Ökokonten sind von der zuständigen Naturschutzbehörde geführte Konten, auf denen potenzielle Vorhabenträger oder auch Dritte in einem kontrollierten Verfahren Flächen und Maßnahmen für zukünftige fremde oder eigene Eingriffe ansparen können. Es handelt sich um Maßnahmen, die ohne aktuelle Verpflichtung und unabhängig von einem konkreten Vorhaben durchgeführt wer¬den und im Falle eines Eingriffs als vorweggenommene Kompensationsmaßnahme zur Verfügung stehen und sodann von dem Ökokonto abgebucht werden. Die für das Vorhaben erforderliche Kompensation wird mit der bereits erfolgten und auf dem Ökokonto verzeichneten Maßnahme verrechnet. Der Vorteil des Ökokontos ist die Verfügbarkeit von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für den Vorhabenträger, die über die Handelbarkeit der Guthaben auf den Ökokonten hergestellt wird (Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 16 Rn. 21).

Darüber hinaus entsteht aufgrund der Handelbarkeit ein Anreiz für “unbeteiligte Dritte”, die mög¬licherweise gar nicht selbst einen Eingriff planen, aber über eine aufwertungsfähige Fläche verfügen, die Aufwertung vorzunehmen in der Hoffnung, einen “Abnehmer” zu finden (Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 16 Rn. 22).

Von Ökokonten zu unterscheiden sind Flächenpools, die allerdings in Kombination mit einem Ökokonto geführt werden können. Flächenpools bezeichnen von der Gemeinde geführte und gemeindeeigene Register, auf denen die von ihr vorgesehenen und auf eigene Kosten aufzuwerten¬den Flächen für spätere planerische Eingriffe vorgehalten werden. Der grundlegende Unterschied zum Ökokonto ist, dass es sich gerade nicht um vom Vorhabenträger oder einem Dritten durch¬geführte Maßnahmen handelt, sondern um eine Flächenbevorratung durch die Gemeinde, auf der zukünftig Maßnahmen durchführbar sind. Dies kann etwa im Zuge eines Ausgleichs im Rahmen der baurechtlichen Eingriffsregelung erfolgen (Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 16 Rn. 23).

Die Flächen in einem Flächenpool werden also bevorratet, ohne dass bereits konkrete Maßnahmen vorgenommen werden; dies erfolgt erst bei Bedarf, etwa im Zuge der Umsetzung eines Bebauungsplans (Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 16 Rn. 24).

Sofern Kleingartenanlagen ökologisch aufgewertet werden können und damit eine Verbesserung der „Gesamtbilanz“ erreicht wird, können diese, wenn die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 BNatSchG erfüllt sind, zur Bevorratung anerkannt werden.

Stand: 18.05.2017

Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Stiftungsrechts, des Gemeinnützigkeitsrechts sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen, u.a. an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement, der Führungsakademie des Deutschen Olympischen SportBundes e.V. und für eine ganze Reihe von Organisationen.

Rechtsanwalt Nessler ist ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland, der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht sowie des wissenschaftlichen Beirates des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes Saarland der Kleingärtner, Mitglied der Kommission „Finanzen“ der Tafel Deutschland e.V., Mitglied des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportbundes Berlin e.V. u.a.

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